Humboldt-Universität zu Berlin: Kleine Energiesparer: Warum Insekten den Zellkörper ihrer Nervenzellen „auslagern“

Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht

BERLIN, 22-4-2015 — /EuropaWire/ — Nervenzellen weisen ganz unterschiedliche Formen auf. Forscherinnen am Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience Berlin und dem Institut für Theoretische Biologie der Humboldt-Universität zu Berlin konnten aufklären, warum sich bei Insekten der Zellkörper meistens am Ende eines gesonderten Fortsatzes befindet. Mithilfe von mathematischen Modellen zeigen sie, dass so die Signalstärke der elektrischen Übertragung erhöht wird – bei gleichbleibendem Energieaufwand. Die Ergebnisse unter dem Titel „Externalization of neuronal somata as an evolutionary strategy for energy economization“  sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology erschienen.

Nervenzellen sind funktional aufgebaut: Über mehr oder weniger weit verzweigte Zellverästelungen (Dendriten) erhalten sie Eingangssignale, die sie entlang eines langen dünnen Zellfortsatzes (Axon) an andere Nervenzellen weiterleiten. Der Zellkörper enthält den Zellkern mit Erbmaterial und weitere Bestandteile der Maschinerie, die das Neuron am Leben erhält. Seine Lage unterscheidet sich deutlich zwischen den einzelnen Tierklassen: Bei Säugetieren befindet sich der Zellkörper meist zwischen Dendriten und Axon, während er etwa bei Insekten häufig am Ende eines separaten Fortsatzes „ausgelagert“ wird.

„Seit der Beschreibung von Nervenzellen durch Santiago Ramón y Cajal Ende des 19. Jahrhundert ist viel über den Grund dieser unterschiedlichen Morphologie spekuliert worden“, erklärt Erstautorin Janina Hesse vom Bernstein Zentrum Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin. „Unsere Studie bringt nun einen entscheidenden Grund ins Spiel: die Verminderung des Signalverlustes sowie der benötigten Energie bei der Übertragung elektrischer Signale innerhalb der Nervenzelle.“

Zur Stützung ihrer Hypothese nutzten die Biologinnen mathematische Modelle, um die Vorteile zu ermitteln. Der Zellkörper war in den Modelleneinmal zentral und einmal ausgelagert eingebunden. Die Forscherinnen simulierten die elektrische Signalübertragung unter beiden Bedingungen. „Zur Weiterleitung elektrischer Signale benötigen Nervenzellen eine gewisse Signalstärke im Axon. Wenn das Signal zuvor über den Zellkörper läuft, treten Verluste entlang der Zellmembran auf. Diese Leitungsverluste kann die Nervenzelle durch aktive Verstärkung reduzieren, verwendet dabei aber insbesondere bei großen Zellkörpern viel Energie. In solchen Fällen ist eine Auslagerung von Vorteil“, erläutert Seniorautorin Susanne Schreiber.

Für Organismen mit großen Zellkörpern ist es daher am günstigsten, das Signal nicht über den Zellkörper laufen zu lassen, sondern geradewegs vom Dendrit zum Axon. Insekten nehmen diesen direkten Weg, indem sie den Zellkörper ihrer Nervenzellen an das Ende eines dünnen Fortsatzes verlegen. So gelingt es, auch kleine Eingangssignale effizient an Nachbarzellen weiterzuleiten.

Originalpublikation

J. Hesse & S. Schreiber (2015): Externalization of neuronal somata as an evolutionary strategy for energy economization. Current Biology.
doi: http://authors.elsevier.com/a/1QurA3QW8RZuOX

Kontakt

Janina Hesse
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Theoretische Biologie

Tel: 030 2093-98407
janina.hesse@bccn-berlin.de

Prof. Dr. Susanne Schreiber
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Theoretische Biologie

Tel: 030 2093-98405
s.schreiber@hu-berlin.de

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